Ich habe Joy Frempong und Lleluja-Ha (Marcel Blatti) von OY getrofffen und mit ihnen über ihr aktuelles Konzeptalbum «Space Diaspora» und weiteres gesprochen. Von Judith Affolter
Wie seid ihr auf die Idee dieses Konzeptalbums gekommen, auf die Utopie der „Space Diaspora“, in der die Menschheit aus ihren Fehlern lernt und friedlich zusammen lebt?
Joy: In erster Linie ging’s uns darum sich eine Parallelwelt in der Zukunft vorzustellen und untypische Verknüpfungen herzustellen. Auf unserem Album geht es einerseits um die Zerstreuung der Menschen - die Diaspora. Ein Zustand der in den Medien vor allem als Problem, als Krise dargestellt wird. Wir wollten hingegen die positive Seite der Heimatlosigkeit zeigen, das Potential das Menschen mit sich bringen, die migriert sind und die Welt mit anderen Augen sehen. Andererseits ist da die Idee des Outer Space: Wenn sich die ganze Menschheit ins All transferiert entfällt das Argument des zuerst Dagewesenen. The American Dream war aus dem Chaos der Migration gewachsen. Aber wir Menschen sind etwas beschränkt - dass es für das Glück des einen kein Leid des anderen braucht wollen wir nicht wirklich begreifen.
Marcel: Und es ist eine Weiterführung. Beim ersten Album wollten wir einen positiven Blick auf Afrika zeigen. Die Medien tendieren stark dazu ‚Bad News’ zu präsentieren, und da wollten wir einen Gegenpol setzen. Angefangen hat’s also quasi mit der African Diaspora. Seit ein paar Jahren geht es politisch weltweit ausserordentlich turbulent zu und Grenzen werden zementiert. Die Menschen ziehen nicht an einem Strang obwohl sie dies dringend tun sollten und wir wollten deshalb Stellung beziehen, jedoch über die Brechung, via eine positive Science Fiction. Als OY möchten wir auch durch Humor wiedergeben was uns beschäftigt... Das ist generell ein eleganterer Weg, finden wir.
Habt ihr eine sozialkritische Message?
Joy: Ja aber wir wollen komplexe Dinge nicht auf simple Messages runterbrechen, das wäre populistisch. Wir wollen zur eigenen Fantasie anregen. Schön ist es beispielsweise bei Sprichwörtern anzuknüpfen. Das war beim letzten Album schon Thema: Da können sich alle drin sehen und auf ihre Art interpretieren. Moralismus wollen wir dabei vermeiden. Wir möchten Leute dazu anregen, Ideen weiterzuspinnen und auch Utopien weiter zu träumen. Denn wenn du weisst, was du dir wünschst, bist du schon einen Schritt weiter. Uns ist klar, es ist nicht realistisch, dass Menschen aus ihren Fehlern lernen und im All friedlich zusammen leben, fern von Rassen-, Klassen- und Genderkonstrukten.
Marcel: Genau, aber welchen Sinn macht es einmal mehr eine Dystopie zu bemühen. Die Menschheit braucht nun mal Visionen und Utopien um etwas weiter zu kommen.
Was hat es mit dem extravaganten Hut auf sich, Marcel?
Marcel: In unserer überdefinierten und entmystifizierten Zeit braucht der Mensch Fluchtorte und die Bühne ist definitiv dazu, da als solcher genutzt zu werden. Und ich mag das Spiel mit Identitäten. Ich bin mit dem Hut sehr auffällig, aber zugleich unsichtbar. Eine Art Kontrast zum Selfie-Trend - also überall sein Gesicht sichtbar zu machen und zu posten. Aber ich deute die Maske eigentlich nicht. In erster Linie passt sie einfach zur Musik und zur Performance, sie ist ein bisschen wie ein Spiegel, jeder sieht darin was anderes. Da ich schon immer fasziniert war von Mode und Kostümen, habe ich nach einem besonderen Bühnenoutfit gesucht. Mit der Maske trete ich ja auch mit der Band Sun of Moon auf. Und um die Frage gleich vorweg zu nehmen, ja ich kann trotz der Maske gut sehen. lacht
Welche Musik hört ihr euch zurzeit am häufigsten an?
Joy: Viel elektronische Musik von Frauen, z.B. Anna Meredith, Kaitlyn Aurelia Smith. Und das neue Album Pleasure von Feist mag ich sehr.
Marcel: Ich aktuell viel Electronia z.b. Arca, Anohni, Kate Tempest oder Mark Pritchard aber auch öfter Tame Impala und immer wieder klassische Musik, z.B. Strawinsky und Pärt.
Mit welchen Musikern würdet ihr gerne mal zusammen arbeiten wenn ihr frei wählen könntet, und wo würdet ihr am liebsten auftreten?
Mit Little Dragon, am Tokyo Jazz Festival.
Was steht in nächster Zeit an?
Eine China-Tour, Rom und auch einige Konzerte in der Schweiz. Am 1. September spielen wir an der Viaduktnacht im Bogen F in Zürich, dann Ende Monat in Ilanz und in Basel, im Januar in Luzern. (Alle aktuellen Konzerttermine von OY gibt es hier: www.oy-music.com).
Ein neues Album ist geplant, aber noch nicht in Entwicklung.
Aaaber! in den nächsten Wochen bringen wir den Track ‚Made Of Love‘ mit einem Video als dritte Single raus.
Cool, da freuen wir uns drauf!
Danke fürs Interview, Joy & Marcel