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Über Musik zu schreiben ist immer subjektiv
Über Musik zu schreiben ist immer subjektiv

Über die richtigen Worte zu Musik ohne Worte - die englische Autorin Jeanette Leech über das Schreiben über Musik und über den Moment, in dem sie nur noch Post-Rock hören konnte. Von Daniela Bär

Der Kulturjournalist Simon Reynolds brachte 1994 erstmals den Begriff Post-Rock ins Gespräch. Was war dein persönlicher Zugang zu diesem Genre, bevor Du mit dem Schreiben deines Buches «Fearless: The Making of Post-Rock» begonnen hast?

Ich hatte eine komplizierte Beziehung zu Post-Rock. Obwohl ich im Laufe der Jahre hier und da einzelne Songs mochte, hätte ich mich niemals als Post-Rock-Fan bezeichnet. Als ich ein schwieriges Jahr durchmachte, war es, als wollte ich keine Musik mit expliziten Texten mehr - ich musste mir etwas anhören, das viel impressionistischer war. Post-Rock passte perfekt! Von da an konnte ich mich mit all den Emotionen in dieser Musik identifizieren, und es wurde frustrierend für mich, dass in Zeitschriften so oft auf sehr trockene Weise über Post-Rock geschrieben wurde. Ich wollte Post-Rock so in Angriff nehmen, dass die Geschichten und Emotionen, die ich gehört hatte, zum Vorschein kommen - und so entstand die Idee für das Buch.

 

Kannst Du dich zu den Schwierigkeiten oder Besonderheiten äussern, über Musik zu schreiben - generell, im Speziellen aber auch über Post-Rock?

Über Musik zu schreiben ist immer subjektiv - egal, wie sehr man versucht, das mit zu bedenken und möglichst unvoreingenommen zu bleiben. Man möchte sicherstellen, dass man auch Personen oder Bands abdeckt, die andere vielleicht wichtiger oder sympathischer finden als man selbst - gleichzeitig möchte man verhindern, dass man Seite um Seite nur den Künstlern widmet, die man persönlich bevorzugt! Wie gesagt, ich habe eine sehr persönliche Beziehung zu einigen dieser Songs oder Bands, und im Buch sind daher viele Künstler, an die man nicht unmittelbar denken würde, wenn man von Post-Rock redet. Das Positive an der Subjektivität ist, dass man die Ausgewogenheit der allgemeinen Berichterstattung ein wenig verbessern kann. Ich hatte zum Beispiel das Gefühl, dass die britische Post-Rock-Klasse der frühen 1990er-Jahre nicht so geschätzt wurde, wie sie es verdient hatte, und dass ihre Geschichten nicht richtig erzählt worden waren. Deshalb habe ich mit praktisch allen diesen Bands gesprochen und all die verschiedenen Erzählungen dieser mutigen, ungewöhnlichen Szene zusammengefügt.

 

Für dein Buch hast Du mit unzähligen bekannten und weniger bekannten Künstlern gesprochen. Wie hat sich dein Bild des Genres während der Arbeit an «Fearless» verändert?

Es hat sich sehr verändert! Wenn ich mit der Auslegeordnung eines Buches anfange, kommen mir all diese wunderbaren Theorien, und ich lasse mich wahrscheinlich ein wenig treiben. Aber gleich zu Beginn meiner ersten Interviews habe ich festgestellt, dass diese Theorien immer nur ein Ausgangspunkt sind: Man teilt sie dann mit den Beteiligten, und sie haben ganz andere Sichtweisen darauf, und irgendwann sieht man Post-Rock als Gordischen Knoten. Lustigerweise war eine dieser Theorien, dass Musiker den Genre-Namen Post-Rock nicht wirklich mögen. Ich habe einige getroffen, die ihn hassten, aber vor allem gab es Zuneigung dafür, wenn auch manchmal etwas widerwillig.

 

Am 28. Oktober bist Du am bergmal Festival für eine Lesung aus deinem Buch. Weisst Du, dass die bekannteste Schweizer Post-Rock-Band Leech heisst? Kennst Du ihre Musik?

Haha, das ist wunderbar! Ich kenne ihre Musik nicht, aber ich werde sie natürlich auschecken. Eine meiner Lieblings-Post-Punk-Bands ist übrigens aus der Schweiz: LiLiPUT! Ich freue mich sehr auf bergmal - darauf, einige grossartige Bands zu sehen und in einer coolen Stadt Zeit zu verbringen!

 

Als Autorin hast Du bereits über psychedelischen Folk und Acid Folk geschrieben und dich mit Post-Rock einem der schwierigsten Genres gewidmet - was kommt als Nächstes?

Ich mache erst einmal eine Pause. Es ist sehr anstrengend, ein Buch zu schreiben - ich will mich auf gar keinen Fall beklagen, aber wenn man das ernst nimmt, raubt es dir all deine Freizeit und deine Finanzen. Ich bin ein Alles-oder-nichts-Mensch. Meine Bücher wurden mit einer siebenjährigen Pause dazwischen veröffentlicht - ich werde versuchen, mit dem nächsten Buch weniger lang zu warten!


«Fearless: The Making of Post-Rock» erschien im Juni 2017 bei Jawbone (ISBN 978-1- 911036-15- 9). Im Rahmen vom Post-Rock-Festival bergmal liest Jeanette Leech am 28.10.2017 um 19.00 aus ihrem Buch.

 

Freitag, 27. Oktober 2017 | daniela