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Begegnungen mit Jaga Jazzist, Headliner vom bergmal Festival #3
Begegnungen mit Jaga Jazzist, Headliner vom bergmal Festival #3

Alles ist Remix

Wuchernde Synthies, pumpende Afrobeats, selbstbewusste Bläser und hyperaktive Game-Boy-Effekte - und das alles nicht auf einem Album, sondern in einem einzigen Song: Jaga Jazzist können musikalisch alles und müssen nichts.

In Tønsburg

Lars Horntveth hat mehr Jahre seines Lebens mit Jaga Jazzist verbracht als ohne. 1994, als 14-jähriger Teenie, gründet er in der kleinen Stadt Tønsburg eine Band und nennt sie Jaga Jazzist. Tønsberg ist bekannt fürs Slottsfjell-Festival und für den Hafen, in dem die archäologische Kopie eines weltberühmten Schiffs liegt, das während der Wikingerzeit in einem Hügelgrab gefunden wurde. Lars hat keine musikalische Ausbildung, er hat sich alles selber beigebracht, ist ein Tüftler, probiert viel, setzt sich selber keine Grenzen, weil ihm nie Grenzen beigebracht wurden. 2002 kürt BBC Jaga Jazzists Debut-Album A Livingroom Hush zum besten Jazz Album des Jahres und Lars, Dreh-und Angelpunkt des Kollektivs, zu dem auch Familienmitglieder gehören, wird zu einem der umtriebigsten Musiker Norwegens: Er tourt mit Sundfør, arrangiert Streicher für den neuen Hit eines norwegischen Popsternchens, produziert Alben für andere Künstler aus sämtlichen erdenklichen Genres, schreibt Hörbücher, gewinnt Preise am norwegischen Grammy oder lernt ein neues Instrument für Jaga Jazzist, wo ständiges Neuerfinden Daseinsberechtigung bleibt. Die Band wird international zum Phänomen: Progressive Electronic Jazz Music - vier Worte für einen Sound, dem Worte niemals gerecht werden können.

 

 

Im Studio

Ins Studio zu gehen ist für Lars Horntveth und seine Mitmusiker der Beginn eines langen Prozesses, den sie sich als Projekt vornehmen, planen und umsetzen. «Es ist sehr unromantisch, wie ich arbeite», sagt Lars Horntveth in einem Interview mit The Quietus. Aus seinen unterschiedlichsten Projekten, an denen er nacheinander und durcheinander arbeitet, wächst sein Ansporn: immer das Gegenteil von dem zu tun, was er gerade abgeschlossen, aufgenommen oder veröffentlicht hat. Der Versuch, sich selbst ständig zu erweitern, steht am Anfang - und kann mitunter peinlich oder anstrengend sein: «Was mich wirklich inspiriert ist etwas zu tun, das wirklich peinlich ist, Dinge, die ich vorher gehasst habe.» Lars tut es immer wieder: ein neues Instrument spielen, es bezwingen und es zu seinem Eigenen zu machen. Mit Starfire, Jaga Jazzists letztem Album, erweitert sich ihr Sound unter anderem zeitlich: Die Melodien, die Texturen, die Tektonik - alles noch da, aber verteilt auf längere Sequenzen, ausgedehnt auf mehrere Minuten, bis daraus ganze Viertelstunden werden. Den Melodien und Wechseln wird ein sorgfältig konstruierter Aufbau zugrunde gelegt. Das Resultat ist keineswegs minimalistischer oder reduzierter, sondern nimmt sich mehr Zeit - mehr Zeit, sich in alle Genrerichtungen zu erweitern oder dem Übereinander ein Nacheinander hinzuzufügen. Die Inspiration ist dabei takt- oder minutenweise erkennbar: Hier die organische Elektronik von Jon Hopkins, plötzlich tanzbar wie bei Röyksopp, Justice und Todd Terje sind nicht weit weg, Tame Impala spenden ihren Groove - alles ist detailbesessen konstruiert, alles ist immer auch schon Remix.

 

 

Auf der Bühne

Live erlebt man die Band als eingeschworenen Stamm, als musikalischen Mikrokosmos, angeführt von Lars Horntveth mit seinem Tenorsaxophon. Die Energie gilt dem gemeinsamen Sound, die Solisten dienen dem Kollektiv. Die einzelnen Musiker sind so unmöglich einzusortieren wie die Musik, die um sie herum entsteht und sich weigert, einem Genre zugehörig zu sein. Mit einer außergewöhnlich vielfältigen Mischung von Einflüssen, ob Post-Rock oder Afrobeat, ob Jazz oder der Soundtrack eines staubigen Western: Die einzelnen Bandmitglieder haben alles Mögliche gespielt und noch viel mehr produziert. Gegen 40 Instrumente stehen inzwischen mit Jaga Jazzist auf der Bühne - sie zu kombinieren, sie gegeneinander antreten zu lassen, sie miteinander kommunizieren zu lassen ist Jaga Jazzists Antrieb. Das System Jaga Jazzist haben inzwischen mehr als zwanzig Musikerinnen und Musiker durchlaufen - und geprägt. Jaga Jazzist ist zu einem Brand geworden, dessen einzige Corporate-Identity-Regel ist: Nichts darf so klingen, wie es einmal klang - aus dem soundtechnischen Alles-Können wird ein musikalisches Nichts- Müssen.

 

 

Am Sa 20. Oktober 2018 spielen Jaga Jazzist am dritten bergmal Festival, dem einzigen Schweizer Experimental- und Post-Rock-Festival, an dem nationale Vertreter der Szene und internationale Helden des Genres aufeinander treffen.

 

bergmal Festival - 19./20. Oktober 2018 - Dynamo Zürich

www.bergmal.ch

Freitag, 12. Oktober 2018 | daniela